Ein Mann und seine Marke

Alle kennen seine Marke, nur wenige seinen Namen: Dr. Gerhard Büchtemann. Aber dass wir heute guten Fliesenkleber, Spachtelmasse und Fugenmörtel in jedem Baumarkt kaufen können, das haben wir „Mr. Lugato“ zu verdanken,

Das Schicksal geht manchmal verschlungene Pfade. Da wächst ein junger Mann in Hamburg heran, durchläuft eine humanistische Ausbildung, begeistert sich für Musik und die schönen Künste, studiert Medizin und hat Erfolg als Arzt. Bis hierhin eine schlüssige Biografie, doch wer käme darauf, dass ausgerechnet dieser Mann zum Wegbereiter der modernen Bauchemie, zum Vordenker des Do-it-yourself in Deutschland werden sollte? Wahrscheinlich hat die Entwicklung ihn selber am meisten überrascht. Dr. Gerhard Büchtemann ist ein stiller Star. Einer der nicht viel Aufhebens um seine Person macht, über den keine Zeitungsarchive gefüllt worden sind. Und doch gibt es kaum eine Marke, kein Produkt, das so sehr mit einer einzelnen Person verbunden ist, wie Lugato und Dr. Büchtemann.

Der Mann, der uns Produkte (und Produktnamen!) wie „Drauf + Sitzt“, „Schwarzer Blocker“ oder „Neu Auf Alt!“ beschert hat, fällt zunächst durch zwei Charakteristika auf: Seine stets perfekte Kleidung und seine strahlend blauen Augen. Seine Ausstrahlung hat fast schon magische Wirkung. Wenn Dr. Büchtemann einen Raum betritt – sei es ein Konferenzraum in der Hamburger Konzernzentrale, sei es die Lugato-Produktion im schleswigholsteinischen Barsbüttel – tritt stets das gleiche Phänomen auf: Das Gespräch verstummt, die Blicke richten sich auf ihn. Keine Frage, der Mann hat Führungsqualität. „Ich bin ein grässlicher Perfektionist“, sagt er, nur um sich im selbem Atemzug selbst zu relativieren: „Ohne meine Kollegen wäre der Erfolg von Lugato undenkbar!“

220 Angestellte arbeiten in der Hamburger Zentrale, er kennt sie alle mit Namen. Die Unternehmenskultur und der Erfolg haben sie zusammengeschweißt. Kündigungen und Personalfluktuation sind bei Lugato fast wie unbekannt. Lugato ist viel älter, als der moderne und dynamische Auftritt der Produkte im Baumarkt vermuten lässt. 1919 wird die Firma (Keiner weiß heute mehr genau, wie es zu dem italophi-len Namen kam.) von Paul Büchtemann, dem Vater Dr. Gerhard Büchtemanns, gegründet. Bauchemie, Zuschlagstoffe, Veredlungen – so etwas wie Alchemie für Maurer – wird mit Erfolg über den Großhandel an Handwerker verkauft. Als der Gründervater Mitte der 50er Jahre stirbt und der nachrückende Geschäfts-führer erkrankt, liegt über Nacht die Alleinverantwortung beim Sohn. Der steht gerade als Assistenzarzt in München am OP-Tisch. Doch Dr. Büchtemann ist keiner, der kneift. Er beißt die Zähne zusammen, kehrt nach Hamburg zurück und schultert die Firma.

Aus dem Kaufmann wider Willen entwickelt sich in kürzester Zeit das Enfant terrible des Baustoffhandels. „Lugato ist anders!“ lautet sein Kredo, und „Wir schreiben drauf, was drin ist!“ Büchtemann will, dass jeder sofort erkennen kann, was in seinen Tüten und Dosen steckt: Aufwendige Verpackungen, schmissige Produktnamen, eine höchst detaillierte Anwendungsbeschreibung, das ist sein Erfolgsrezept.

Büchtemann verlässt die ausgetretenen Pfade: Den Messestand von Lugato baut der Chefbühnenbildner der Staatsoper, ein Schüler Carl Orffs komponiert die Hintergrundmusik.

Moderne „E“-Musik auf dem Messestand? Viele alte Geschäftspartner können, wollen ihm nicht folgen. Der traditionelle Baustoffhandel ist wie vor den Kopf geschlagen. „So einer wird nie ein echter hanseatischer Kaufmann“ sagen sie. Will er auch nicht sein. Büchtemann erfindet seinen Markt selber. Sogar bei den Fotos für die Arbeitsanleitungen („Einfach selbermachen.“) drückt der Chef persönlich auf den Auslöser. Die Kunden lieben ihn, und mit den immer größer werdenden Baumärkten hat Lugato, hat Dr. Büchtemann seine Bühne gefunden, der Bauboom der 70er Jahre tut ein Übriges. Wirtschaftsmagazine berichten wenig später vom kometenhaften Aufstieg der Marke Lugato.

Heute ist Lugato ein Fixstern in den deutschen Baumärkten und der Werdegang von Dr. Büchtemann Stoff für Marketingseminare. Wie kann er sich da noch jeden Morgen aufs Neue motivieren? „Die Dinge sind gut gelaufen für Lugato. Aber es gibt immer noch etwas besser zu machen!“ Warum, so fragte sich der Chef vor wenigen Monaten, werden in den Baumärkten eigentlich Produkte verkauft und keine Problemlösungen? „Warum müssen die Kunden eine Schnitzeljagd durch den Markt machen, um alle Produkte für Ihre Aufgabe zusammenzubekommen?“ Das Ergebnis der Überlegungen: Lugatos neues Regalkonzept. Jetzt steht im Baumarkt zusammen, was auch zusammen gehört. Typisch Dr. Büchtemann eben.