Verstehen sie diese Ausführungen bitte nicht falsch. Es ist keineswegs so, dass wir alle in Wirklichkeit keinen Stress haben und glücklich wären, wenn es dieses Wort nicht gäbe – das moderne Leben wird von vielen Menschen als stressig empfunden, und man sollte nun sicher nicht die Fehlinterpretation treffen und sagen, dass nur die Überbetonung von Stress diesen in Wirklichkeit hervorruft.
Stress ist da, und er ist – wenn er ein gewisses Maß übersteigt – weder angenehm noch gesund. Was man nicht vergessen sollte ist allerdings die Tatsache, dass nicht jede momentane Empfindung von Stress wirklich auf eine besonders anspruchsvolle und schnelle Lebensphase zurückzuführen ist.
Vielmehr ist es sehr typisch für das Phänomen Stress, dass es sehr plötzlich auftreten kann und oft auch schnell wieder verschwindet – aber eben nicht immer.
Achten sie einmal auf ihre subjektive Empfindung an einem stressigen Tag. Sie stehen früh auf, erledigen eine Reihe von Arbeiten, machen eine zu kurze Pause und gehen wieder an die Arbeit. Abends sind sie erschöpft und müde und wollen „nichts als ihre Ruhe“. Wenn sie diese in ausreichendem Maße bekommen, ist der Stress am nächsten Morgen wahrscheinlich bereits wieder vergessen, und sie bleiben leistungsfähig und aktiv.
Schwierig wird es dann, wenn die Phasen der Entspannung zu kurz werden, entweder durch reale oder missverstandene Anforderungen.
Wenn sie Stress empfinden, weil es neben ihrer Arbeit so viele Aufgaben gibt, die noch zu erledigen wären, hilft oft leider nur eines: anpacken. Auch wenn man noch so unmotiviert ist und sich überfordert fühlt – wenn man nie anfängt, wird man auch nie fertig, und hat am Ende nur noch mehr Stress, ohne etwas geschafft zu haben.
Mangelhafte Entspannung ist aber nicht immer bedingt durch zu vielen kleinen Aufgaben, die wir nicht erfüllt haben. Sie kann sehr wohl auch in reale Überforderung fußen, indem wir nämlich wirklich nicht die Kapazität haben, alle Arbeiten, die für uns anfallen würden, in angemessener Zeit zu schaffen. Die Phasen der Entspannung werden in einem solchen Fall meist kürzer, vor allem aber werden sie weniger intensiv. Am Ende verwenden wir im Extremfall sehr viel Zeit darauf, nichts zu schaffen, bis die Arbeit nur noch immer erschreckender erscheint.
Wir sollten im Zusammenhang von Stress weniger von dem Phänomen Stress an sich sprechen als vielmehr vom Stresshaushalt eines Menschen. Wenn sich Anspannung und Entspannung in angemessenen Zyklen abwechseln, werden wir nicht wirklich gesundheitsschädlichen und Unbehagen erzeugenden Stress empfinden. Dies ist normalerweise erst der Fall, wenn die Abwechslung zwischen diesen Phasen nicht mehr angemessen ist, sondern wenn mehr Stress vorliegt, als durch Entspannung wettgemacht werden kann.
Dieser Zustand kann durch reale, aber auch durch empfundene Überforderung hervorgerufen werden – für den Körper ist es egal, ob er sich von anstehenden und unerledigten Aufgaben oder von den Unvermeidlichkeiten zu sehr in Anspruch genommen fühlt.
Wichtig ist im Zusammenhang mit dem persönlichen Stresshaushalt allerdings nicht nur das Gleichgewicht von Anspannung und Entspannung. Es kann durchaus sein, dass ein Mensch eigentlich genug Zeit hat, um sich zu entspannen, und dass er dennoch schwer belastet wird von den täglichen Herausforderungen seines Alltags und deswegen unter Stress steht.
Wenn man den Stresshaushalt eines Menschen betrachtet, darf man nicht den persönlichen Faktor vergessen: Wie geht ein Mensch mit einer stressbetonten Situation um?
Manche Menschen verhalten sich auch in Extremsituationen sehr ruhig, gehen nüchtern und gelassen vor und werden scheinbar überhaupt nicht von der Situation belastet.
Zum Teil ist dies sicherlich auf eine psychische Stabilität, gepaart mit Selbstkontrolle und eine Prise Schauspielerei, zurückzuführen – es ist aber eine Tatsache, dass es Menschen gibt, die wirklich ruhig sind, während andere beinahe in Panik ausbrechen.
Diese individuellen Unterschiede sind eng mit der Mentalität eines Menschen verbunden.
In Extremsituationen entsteht sehr schnell ein bestimmtes Gefühl in einem Menschen – typischerweise „Das werde ich schon schaffen“ oder „Das geht bestimmt schief“. Diese beiden extremen Aussagen nehmen in der Tat in diesem Zusammenhang die größte Bedeutung ein, da dass Bewusstsein eines Menschen schnell eine Entscheidung erzeugen will – man wird kaum auf Menschen treffen, die sich weder herausgefordert noch eingeschüchtert fühlen von einer emotional intensiven Situation.
Die Bewertung einer Situation nimmt also für den Menschen eine wichtige Rolle ein. Sehen sie eine kritische Situation in ihrem Alltag normalerweise als Herausforderung oder als Bedrohung?
Herausforderungen erzeugen normalerweise produktiven und positiven Stress, während Bedrohungen ein Gefühl von Unfähigkeit, Überforderung und damit negativen Stress erzeugen.