An dieses Gleichgewicht der Kräfte hält sich jeder -fast immer. Denn manchmal kommt es doch zu ernsthaften Kämpfen zwischen zwei oder mehreren Rudelmitgliedern. Vor allem zwei Situationen können kritisch werden: Wenn es um die höchste Stellung in der Rangordnung geht und wenn einzelne Rudelmitglieder zum „Prügelknaben“ werden und aus dem Rudel vertrieben werden sollen.
Der erste Fall ist sehr selten. Die beiden ranghöchsten im Rudel, der Alpha-Wolf und die Alpha-Wölfin (siehe Mitteltext), unterstützen sich gegenseitig und verhindern so, dass einer ihrer Nachkommen ihnen ihre Stellung streitig macht.
Doch eines Tages wird auch der stärkste Wolf schwach. Der „Kronprinz“ erkennt seine Chance und greift an; zuerst vorsichtig, später immer offener und aggressiver. Kann der alte Rüde sich dieser Angriffe nicht erwehren, kommt es schließlich zum Machtkampf, bei dem es um Leben und Tod geht. Hemmungslos verbeißen sich die Tiere ineinander. Häufig greifen dabei auch andere Tiere mit ein, nicht zuletzt die Alpha-Wölfin. Doch nicht dem Alpha-Rüden kommt sie zur Hilfe, sondern dem „Kronprinzen“. Gemeinsam greifen sie den Alten wütend an, und wenn er nicht am Ende des Kampfes flüchten kann, wird er totgebissen.
Dieses Verhalten mag grausam erscheinen, doch aus der Sicht der Alpha-Wölfin und der anderen Rudelmitglieder ist cs durchaus sinnvoll. Mit einem immer schwächer werdenden Rudelführer ist niemandem gedient, am allerwenigsten der Alpha-Wölfin selbst, die für sich und ihre Kinder einen starken Partner braucht. Eines Tages wird es ihr womöglich genauso ergehen. Die Natur kennt kein Mitleid.
Im zweiten Fall treffen die hemmungslosen Angriffe ein besonders schwaches Rudelmitglied. Meistens ist es ein Weibchen, das geschlechtsreif geworden ist und als Rivalin des Alpha-Weibchens unterdrückt wird. Das nützen sehr gern auch die „Halbstarken“ im Rudel aus, die ein- bis zweijährigen Wölfe. Sie lassen keine Gelegenheit zum Streit aus und wenn sie in der Gruppe angreifen, sind sie mutiger als allein und können am Ende den armen „Prügelknaben“ sogar regelrecht aus dem Rudel vertreiben. Solche ausgestoßenen Tiere bleiben eine Zeitlang im Schlepptau des Rudels, doch irgendwann gehen sie eigene Wege.
Die Rangordnung
In einem Wolfsrudel gibt es zwei Rangordnungen, eine für die Rüden und eine für die Weibchen. An der Spitze steht jeweils der Alpha-Rüde (A) und die Alpha-Wölfin (B). Meist sind das auch die beiden ältesten Tiere im Rudel.
Da die Alpha-Wölfin keine anderen geschlechtsreifen Weibchen neben sich im Rudel duldet, gibt es meist nur junge Weibchen (C) unter ihr. Die Rüden hingegen sind untereinander verträglicher. So kommt es häufig vor, dass unter dem Alpha-Rüden weitere geschlechts-reife Rüden (D) stehen, die sich an den gemeinsamen Jagden und der Aufzucht der Welpen beteiligen.
Nach den erwachsenen Tieren folgen die ein- bis zweijährigen, noch nicht geschlechtsreifen Tiere (E). Häufig haben sie untereinander eine ähnliche Rangordnung, wie sie im gesamten Rudel gilt. So gibt es bei ihnen einen „Klein-Alpha-Rüden“ und ein „Klein-Alpha-Weibchen“.
Ganz unten in der Rangordnung, eigentlich schon etwas außerhalb, stehen die Welpen (F).