Nicht immer war das Image des Wolfes so schlecht, wie es die vielen Gruselgeschichten in Märchen, Büchern und Filmen noch heute vermitteln. ln der Mythologie, dem Sagenschatz vieler Völker, spielte der Wolf ganz andere Rollen. So haben zum Beispiel die Indianer in Nordamerika einst den Wolf als ihren „Bruder“ verehrt. Auf einem berühmten Wappenpfahl in British Columbia an der Westküste ist ganz oben ein Adler dargestellt, der König der Lüfte, darunter ein Wal, der Herrscher des Meeres und unten ein Wolf, der Herrscher auf dem Lande. Er galt als mutig und weise, ln der mythischen Überlieferung vieler Stämme war der Wolf sogar der Stammvater aller Menschen, bei anderen die Urmutter ihres eigenen Volkes.
Ein ganz ähnliches Bild vom Wolf findet sich auch in der „Geheimen Geschichte der Mongolen“, die von der Herkunft Dschingis Khans berichtet. Der Legende nach soll der große Heerführer und Welteroberer von einer Wölfin abstammen. Auch Romu-lus und Remus, die beiden sagenhaften Gründer Roms, verdanken ihr Leben der aufopfernden Tat einer Wölfin, die sie aus den Fluten des Tiber rettete, säugte und aufzog, als wären es ihre eigenen Welpen. Ganz anders das Wolfsbild im antiken Griechenland. Hier ist der Wolf nicht Symbol der Mütterlichkeit, sondern der männlichen Potenz. Entsprechend wurd Aphrodite, die Göttin der Schönheit und Liebe, oft in Begleitung eines großen Wolfes dargestellt.
Nicht am Anfang des Lebens, sondern an seinem Ende steht der Wolf in der altägyptischen Sagenwelt. Hier ist er Wächter des Gräberstadt. In den Sagen der alten Germanen galt der Wolf als ein Symbol dunkler Mächte.
Der oberste Kriegsgott Odin wurde von seinen beiden Wölfen Geri und Freki begleitet. Der Fenriswolf war der gefährlichste aller Dämonen. Mit seinem Heulen beginnt der Sage nach der Weltuntergang: Im letzten Kampf verschlingt der Fenriswolf Odin und die ganze Welt.