Der Anblick tat in den Au-| gen weh. Als der Psychologiestudent Bernhard Müller eines schönen Tages aus dem Fenster seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg sah, war das einst so stolze Wohnhaus gegenüber unter der Wucht der Abrißbirne schon in sich zusammengesackt. Was noch ragte, bot das Bild eines gerupften Festtagsbratens nach wüstem Gelage. Mit einem Unterschied: Niemand hatte die Filetstücke auch nur angerührt – da drüben war restlos alles für den Abfall bestimmt, selbst komplette Türen und Fenster samt ihrer Messingbeschläge. Sogar das Dessert bot ein Bild des Jammers: schöne alte Kachelöfen, ornamental und figürlich reichgeschmückt und in glänzender Glasur.
Der angehende Psychologe kam ins Grübeln. Und kam zu dem Schluß, nicht länger die angeschlagenen Seelen seiner Mitmenschen zu retten, sondern zunächst einmal alles Brauchbare aus deren angeschlagenen Häusern.
Damals – in einer abrißfreudigen Zeit in einer abrißfreudigen Stadt – waren sie Pioniere, Bernhard „Ofen-Hardy“ Müller und seine gleichgesinnten Freunde. Rund fünfzehn Jahre ist das her. Heute betreiben sie die Firma „Antike Bauelemente“ in Berlin-Tiergarten. Dem von ihnen mitgegründeten Unternehmerverband Historische Baustoffe e. V. gehören derzeit 18 Mitglieder an, von Hamburg bis zum Bodensee.
So verschieden die Motive der Initiatoren im einzelnen sein mögen – sie alle sind hinter Balken und Bohlen, Klinkern und Klinken, Geländern und Gittern, Fliesen und Ziegeln her wie der Teufel hinter der armen Seele. Und sie sichern, sammeln und sortieren nicht nur, sondern entlacken, entrosten, entgraten, sie reinigen, glätten, polieren, ergänzen, frischen auf und setzen instand. Dann verkaufen sie ihre historischen Schätze und sorgen so für eine dem Zweck gemäße Wiederverwendung.
Wichtigstes Utensil ist eine sichere Spürnase, die von Abrißobjekten rechtzeitig Wind bekommt. Wie Emil und die Detektive streifen Informanten durch die Stadt.