Figuren voll auf Draht – NARRISCHE GROSSEN

Von sich selbst sagt er: „Ich bin kein Berufskarnevalist.“ Manch einer mag Jacques Tilly (40) trotzdem für einen Narren halten. „Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, ziehe ich in die Wagenbauhalle ein, und wenn die Krokusse kommen, wieder aus.“ So beschreibt der Workaholic die Wochen, in denen er Wagen für den Rosenmontagszug seiner Stadt entwirft und baut. Seit über 20 Jahren ist er dem Düsseldorfer Karneval verbunden, hat bereits als Schüler mit dieser Saisonarbeit Geld verdient und ist jetzt nicht mehr wegzudenken.

Neben seinem künstlerischen Talent zeigte sich früh auch ein Hang zum Skurrilen. Es kam vor, dass er im Winter schon mal in Sandalen und einem umgeschlungenen Fell in der Schule erschien. Tilly über seine ersten beruflichen Vorstellungen: „Ursprünglich war mein Berufsziel Journalist. Die schnelle Arbeit bei der Tagespresse, wo man sehr unter Druck steht, hat mich interessiert.“

Doch es kam ganz anders: Während und nach dem Studium im Fach Kommunikationsdesign in Essen arbeitete er als Designer und Illustrator. Heute, als selbstständiger Wagenbaukünstler, sagt er mit leuchtenden Augen: „Ich liebe Arbeit mit klarem Auftrag. Sich in immer neue Projekte hineinzudenken und dabei erste schnelle Ideen und dann deren praktische Umsetzung zu perfektionieren, das sind meine Herausforderungen.“

Faszinierende Leichtbauweise

Bei den Großplastiken kommt ihm eine besondere Bautechnik zupass, die er von einem alten Kollegen gelernt hat: das Drahten. Jede Figur beginnt mit einer Grundform aus Kükendraht, gestützt von Dachlatten oder Biegeleisten. „Man muss lernen, den Draht zu bändigen, dann kann man mit wenig Material und Zeit ein großes Ergebnis erzielen“, erklärt der erfahrene Drahtzieher Tilly.

Mit leimgetränktem Papier wird dann die fertige Drahtfigur kaschiert. Je nach Einsatzzweck der Plastiken, kommen auch andere Materialien hinzu. Getrocknet ist das ganze äußerst stabil und kann bemalt werden. „Die Drahttechnik eignet sich besonders für große Formate“, lehrt der Meister in Wochenend-Workshops. An seinen Großprojekten arbeitet Tilly meist mit mehreren Kollegen. Zur Gruppe gehört auch seine Frau, die Künstlerin Ricarda Hinz. Produziert wird nicht nur für den Karneval und selten für die Ewigkeit. Tilly spricht von „Ex- und HoppTechnik“, die sich besonders für Messen und jede Art von Events eignet. „Ich werde gern gerufen, wenn nur noch drei Tage Zeit sind“, meint er. Dann ist „Kampfdrahten“ angesagt und der Mann ganz in seinem Element. Närrisch, nicht?

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