Wären Wolf und Mensch gleich gute Jäger, könnte der eine ebenso gut wie der andere für das Gleichgewicht in der Natur sorgen. Aber so ist es leider nicht. Als der Wolf in den letzten Jahrhunderten bei uns ausgerottet wurde, gab es auch kaum Wild in unseren Wäldern. Und weil der Wolf keine Beute mehr fand, war es auch nicht schwer, den Wolf zu besiegen. Wenn im Winter alle Haustiere im Stall eingesperrt waren und es nichts anderes zu fressen gab, mussten die Wölfe verhungern. Manche wanderten auch dorthin aus, wo es noch etwas zu jagen gab, wie zum Beispiel nach Südeuropa.
Nachdem dann auch noch Bär und Luchs als Jagdkonkurrenten ausgerottet waren, besann sich der Mensch
und begann allmählich, das Wild wieder zu hegen. Ganz langsam erholten sich die Bestände von Reh und Hirsch. Die menschlichen Jäger konnten wieder auf die Pirsch gehen. Man wollte sogar das Wild gesund und kräftig erhalten und nur die schwachen und kranken Tiere erlegen – also jagen wie der Wolf. Im Vordergrund sollte das Gleichgewicht zwischen Wild und Wald stehen: Rehe, Wildschweine und Hirsche sollten ausreichend Nahrung finden können und der Wald trotzdem wachsen.
Doch dieses Ziel ist nie erreicht worden. Heute gibt es bei uns mehr Rehe und Hirsche als je zuvor. Sie fressen den Wald kaputt und zerstören dabei ihre eigene Nahrungsgrundlage. Nur mit Winterfütterungen kann man das viel zu zahlreiche Wild am Leben erhalten – zum Nachteil des Waldes. Viele Baumarten, vor allem die, die das Wild gerne frisst, haben kaum noch eine Chance, groß zu werden. Die Folge sind reine Buchenwälder oder öde Fichten- oder Kiefernwälder, in denen kaum eine andere Pflanzenart Platz hat.
Der Nahrungsbedarf des Wolfes
Ein erwachsener Wolf braucht in freier Wildbahn etwa 4 kg Nahrung pro Tag. Das entspricht 10 Prozent seines Körpergewichts. Im Vergleich zum Nahrungsbedarf des Menschen ist das sehr viel. Man stelle sich nur vor, wir müssten pro Tag ein Riesensteak von 6 kg oder mehr vertilgen!
Solche Mengen bekommt der Wolf aber nicht mit Mäusen zusammen, sondern nur mit einem größeren Beutetier. Zudem jagen Wölfe ja nicht alleine, sondern müssen im Rudel viele versorgen. Nur so ist es zu erklären, dass ein Rudel von zehn Tieren einen ganzen Elch von über 600 kg verschlingen kann. Jedes Tier frisst dabei 30 kg und mehr, Haut und Knochen mitgerechnet.
Kein Wunder also, dass Wölfe sich an Tagen mit solch einem Jagdglück kaum bewegen. Dafür können sie aber auch lange ohne Nahrung auskommen. Wissenschaftler sind einmal einem Rudel 14 Tage lang gefolgt. In dieser Zeit hat keiner der Wölfe etwas zu sich genommen. Trotzdem wanderten sie weiter, bis sie endlich wieder Beute machten. Ein einzelner Wolf hungerte sogar einen Monat lang, dann allerdings machte er Beute und fraß 20 kg auf einmal!