Nicht etwa normale Nägel sollen’s sein, sondern ein paar Druckluftnaglernägel? Kein Problem, schlagen Sie einfach nach: in „Wer liefert was?“
Hätten wir damals in der Schule bloß besser aufgepaßt. Dann wüßten wir heute ohne Grübeln, wann die Überfanglikörrömer erstmals den Limes überschritten, um die alten Germanen mit Hochprozentigem zu beglücken.
Aber im Ernst: Als Überfanglikörrömer bezeichnet man nicht die Spirituosenhändler einer vorvergangenen Kolonialmacht, sondern Branntweinbecher aus farbigem Glas, wobei die eingeschliffenen Ornamente den überfangenen Klarglaskern zu Tage treten lassen und transparent erscheinen.
Muß der engagierte Seibermacher das wissen? Nein. Sein Interesse selbst an den Insektensexuallockstoffallen und an Doppelschneckenpressen wird im allgemeinen begrenzt sein. Gar nicht erst reden wollen wir von den Emulsionsnebelabscheidern, der Förderbandschieflaufüberwachung, den Organophilbentonitrohstoffen und Nutenwiderstandsthermometern.
Und trotzdem: In „Wer liefert was?“ zu blättern, macht selbst dann Spaß, wenn man nichts Bestimmtes sucht – schon gar nicht eines dieser mehr oder weniger erklärlichen Produkte.
„Wer liefert was?“, das ist ein Elefant unter den Nachschlagewerken, ein papiernes Ungetüm von rund achtzehn Kilo. Auch die ganze Welt des Selbermachens findet sich darin wieder, verteilt auf acht dunkelblaue Bände – nur echt mit rotem Querbalken – und hingestreut auf den langen Weg von A wie Aalreusen bis Z wie Zylindertrockenanlagen. Dazwischen liegen sie alle, die Außenspringbrunnen, Badewannengriffe, Carports, Dämmplatten, Einbrennlacke, Fliesendekorleisten, Gitterrosttreppenstufen, Heißklebe-pistolen, Isolierfilze, Japanpapiere, Kabel-abdeckhauben, Leime, Massemeßgeräte, Neusilberbleche, Oberlichtöffner, Profilbrettkrallen, Quetschventile, Rasensprenger, Solarheizanlagen, Tapetenablöser, Umleimer, Verzahnungslehren, Wetterfahnen, Xylophone, Yachtendesignlackierungen, schließlich Zaunpfähle bis zum Abwinken. Soweit nur 26 von 65 000 Suchbegriffen.
Damals, im Jahr 1932, als es mit „Wer liefert was?“ losging, mußte man nicht 4700 Seiten eng und vierspaltig mit Kleingedrucktem betexten, um die Vielfalt allein der in Deutschland angebotenen Waren und Dienstleistungen annähernd vollständig zu erfassen. Damals genügte ein einziges schmales Handbuch. Der Zweck von „Wer liefert was?“ bestand ursprünglich darin, den Ausstellern und Besuchern der Leipziger Messe einen übersichtlichen Führer durch Hallen und Freigelände an die Hand zu geben. In dieser Form erschien das Verzeichnis bis zu der vom Zweiten Weltkrieg erzwungenen Unterbrechung.
Danach startete „Wer liefert was?“ unverdrossen aufs neue, wenn auch zweigleisig. Die weiterhin am Ursprungsort herausgebrachte Ausgabe beschränkte sich auf die DDR, und daneben erschien in Hamburg eine westdeutsche Ausgabe. So steil wie der Aufstieg des Wirtschaftslebens in der Bundesrepublik, so steil war auch die Karriere dieses Nachschlagewerkes. Von Jahr zu Jahr nahmen Zahl und Umfang der Branchen, Artikel und Dienstleistungen zu, mit ihnen Zahl und Umfang der Bände. Nach der Wende gab es auch im Hause „Wer liefert was?“ eine westöstliche Vereinigung. Derzeit, also im Erscheinungsjahr 1995, liegen die Bände für Deutschland (es sind drei an der Zahl, das Register nicht gerechnet) in der 47. Ausgabe vor. Das aber läßt Redaktion und Verlag, jetzt nur noch in Hamburg ansässig, nicht ruhen. Längst gibt es Bände für Österreich, die Schweiz und die Beneluxstaaten. Man zieht immer weitere Kreise: Mit dem Erwerb eines slowenischen Verlages, der Slowenien, Kroatien, die Tschechische und die Slowakische Republik betreut, ging „Wer liefert was ? “ ein paar Schritte in östlicher Richtung. Schon vorher zollten die Slowenen ihren deutschen Kollegen Lob, und zwar ein fach dadurch, daß sie sich „Wer liefert was?“ detailgetreu zum Vorbild nahmen und ein Buch vorlegten, das der Hamburger Edition in Aufmachung und Qualität zum Verwechseln ähnelt.
Pro Woche müssen an die 4000 Adressen bearbeitet werden, damit das Informationspaket jederzeit dem Stand der Dinge entspricht. Jede Eintragung wird einem Stichwort (nehmen wir zum Beispiel Schweißelektrodenumhüllungspressen) mit einer Ordungszahl (in diesem Falle 8/1648) zugeordnet und besteht jeweils mindestens aus dem Namen der Firma, der Adresse und den Nummern für Telefon und Telefax. Um höhere Aufmerksamkeit und Wiedererkennung zu bewirken, veröffentlichen viele Unternehmen zusätzlich ihr Logo.
Guter Rat billig: „Wer liefert was?“ steht in Universitätsbibliotheken, in den Handelskammern und vielen Handwerkskammern zum Nachblättern bereit. Per Brief oder per Fax direkt eingereichte Anfragen werden sogar kostenlos beantwortet.